Sponsoren & Partner

04.02.2020: Interview der Offenbach-Post mit Carsten Dalkowski (GFL Sprecher)

Interview der Offenbach-Post mit Carsten Dalkowski (GFL Sprecher)

Bereits seit dem Jahr 1993 ist Rechtsanwalt Dalkowski Vorstandsmitglied des AFV Marburg Mercenaries e.V., seit dem Jahr 2002 übt er dort das Amt des Präsidenten aus. Weiterhin ist er Vizepräsident des American Football Verbandes Hessen (AFVH) und Sprecher der German Football League (GFL). Seit 2008 ist Rechtsanwalt Dalkowski auch Stellvertretender Vorsitzender des Sportkreises Marburg-Biedenkopf im Landessportbund Hessen mit Schwerpunkt „Recht, Steuern und Versicherung“ und hält seit dieser Zeit auch regelmäßig Vorträge im Bereich des Sportrechts.

Wem drücken Sie beim Super Bowl die Daumen - und warum?

Beide Teams haben es verdient im Super Bowl zu stehen. Das an diesem Tag sportlich bessere Team möge gewinnen. Da bei den 49ers mit Mark Nzeocha ein ehemaliger deutsche Junioren-Nationalspieler dabei ist, werden aber wohl auch die deutschen Chiefs-Fans verstehen, dass man ihm persönlich alles Gute für den Super Bowl wünscht.

Was macht für Sie die Faszination Football aus?

Die Sportart kombiniert alle Fähigkeiten, die der Mensch hat, Athletik, Schnelligkeit, Kraft, Intelligenz und Teamwork. Das Ergebnis ist eine einzigartige dynamische Mischung, optisch attraktiv und fast immer spannend bis zum Schluss, mit vielen überraschenden Wendungen. Einfach der ultimative Teamsport.

Über dem Football liegt aber auch ein Schatten: Immer wieder wird ein Zusammenhang zwischen der Sportart und der schweren Gehirnerkrankung CTE hergestellt. Wie stehen Sie dazu?

Jegliche Verletzung zu vermeiden, wäre natürlich das Ziel. Glücklicherweise hat in den USA in den letzten Jahren gerade bei den Gefahren für den Kopf und von möglichen Spätschäden ein Umdenken eingesetzt. Die verschärften Regeln gelten ohnehin auch bei uns, die Ausrüstungshersteller in den USA orientieren sich an den dortigen Vorgaben, es tut sich also viel im Hinblick auf besseren Schutz für die Spieler.
Unser Verbandsarzt und sein medizinisches Team sind übrigens gerade auf diese Bereiche spezialisiert. Sie beraten medizinisches Personal bei den Vereinen und Trainer oder Schiedsrichter im Rahmen der obligatorischen Schulungen laufend.

Der Super Bowl ist ein absolutes Mega-Event, was kann man von dieser Veranstaltung lernen?

Man kann sie genießen. Man kann nachrechnen, wie viel die Veranstaltung kostet, und man weiß, dass die NFL es sich leisten kann, diese Kosten zu begleichen. Dann muss man schauen, welche einzelnen Elemente kann man auch für einen Bruchteil der Kosten so durchführen, dass ihr Effekt sich nicht verflüchtigt? Und man erkennt, dass die NFL nun 100 Jahre daran arbeiten musste, um auf dieses Niveau zu kommen. Dann kann man einfach akzeptieren, dass der Super Bowl eben ein einmaliges und besonderes Event ist.

Seit 2015 ist nicht nur der Super Bowl hierzulande im Free-TV zu sehen, sondern auch die reguläre Saison. Inwiefern profitiert der AFVD davon?

Der Super Bowl war auch davor ja schon im Free-TV zu sehen. Wenn zwei bis drei Millionen Deutsche nachts den Super Bowl schauen, dokumentiert das ein erfreulich gewachsenes Grundinteresse an der Sportart. Allerdings ist es natürlich so, dass die NFL perfekte TV-Unterhaltung bietet, und ein gemeinsamer Fernsehabend einmal die Woche in geselliger Runde eben schon noch etwas anderes ist als zwei-, dreimal die Woche zum Training mit 40, 50 Gleichgesinnten zusammenzubekommen.

Wenn man unsere seit 20 Jahren ununterbrochen steigenden Mitgliederzahlen anschaut und Jahr für Jahr mit eventuellen Einflussfaktoren seitens der NFL oder des Fernsehens vergleicht, findet sich da einfach keine zeitliche Korrelation in die eine oder andere Richtung.
Der German Football profitiert sicherlich aufgrund der regelmäßigen und wachsenden Präsenz in den unterschiedlichsten Medien.

Der AFVD Präsident Robert Huber hatte 2018 mit Blick auf die Mitgliederentwicklung im AFVD (die Zahl hat sich seit 2008? verdoppelt - auf über 67.000) gesagt: "Wenn es da einen Zusammenhang haben könnte, dann, dass die NFL sich auf unseren positiven Trend draufgesetzt hat." Würden Sie das heute wieder sagen - und falls ja: warum?

Diese Aussage immer noch stimmig. Es finden eben zwei parallel laufende positive Entwicklungen statt, die beide von einem gemeinsamen Grundtrend - steigendem Interesse an der Sportart American Football in Deutschland - profitieren und mit diesem und untereinander selbstverständlich auch Rückkopplungen haben. Die Zahlen zur Entwicklung des deutschen Verbands-Footballs der letzten 20, 30 Jahre liegen vor, und es gibt aus diesem vom DOSB anhand der Mitgliederzahlen erstellten Zahlenwerk eben keine herauslesbare Korrelation mit irgendwelchen Maßnahmen der NFL. Wer krampfhaft den Zusammenhang suchen will, muss dann natürlich ergebnisoffen in beide Richtungen denken.

Der German Bowl findet seit 2019 nicht mehr im maroden Jahn-Sportpark in Berlin, sondern in der fast dreimal so viele Zuschauer fassenden, modernen Commerzbank-Arena in Frankfurt statt. Denkt man beim AFVD nun "groß"?

Als marode würden wir das Stadion in Berlin schon aus Höflichkeit gegenüber der Bundeshauptstadt Berlin als unserem langjährigen Gastgeber nicht bezeichnen wollen. Nun, am Ende waren die verfügbaren Plätze im Stadion in Berlin fast ausverkauft, also musste man zwangsläufig in eine größere Arena umziehen, mal abgesehen davon, dass der Jahn-Sportpark auf Sicht ohnehin wegen Baumaßnahmen nicht mehr zur Verfügung gestanden hätte. Frankfurt bietet sich an, wegen der Football-Historie auch in der Arena, wegen der zentralen Lage in Deutschland und seiner hervorragenden Verkehrsanbindung.

Beim German Bowl 2019 wurde erstmals seit 2003 wieder die 20.000er-Marke geknackt. Vom Rekord aus dem Jahr 1999 (30.400) ist man aber weit entfernt. Warum?

Die 20.382 Zuschauer waren eine Steigerung von rund 25 Prozent des bisherigen Rekordes für ein Endspiel, an dem keine Mannschaft aus dem Bundesland des Finalortes beteiligt war. Der absolute Zuschauerrekord stammt aus einer Phase, in der zwei regional benachbarte Teams in Hamburg und Braunschweig von engagierten Managern geführt wurden, die ihrer Zeit damals voraus waren, beide auch sportlich die stärksten Teams waren und sich - trotz des unwägbaren Playoff-Systems - auch beide für das Finale qualifizierten, der German Bowl in ihren Heimatstadien angesetzt war und auch noch das Wetter (vor allem in der Woche vor dem Spiel) mitspielte. Vielleicht spielen ja alle solchen teilweise glücklichen Fügungen in einem der kommenden Jahre wieder einmal zusammen. Der AFVD und die GFL arbeiten Hand in Hand und gezielt an weiteren Verbesserungen dieses Leuchtturm-Projekts. Aber eben mit einer „Strategie der kleinen Schritte", damit sowohl die Liga, die Vereine und auch die Struktur des Verbandes gemeinsam und nachhaltig wachsen können.

Sollte Lokalmatador Frankfurt Universe das Finale erreichen, wäre das mit Blick auf die Zuschauerzahl sicher förderlich. Bei den "Men in Purple" wechseln sich sportliche Erfolge und finanzielle Sorgen aber immer wieder mal ab. Wie beurteilen Sie die Entwicklung bei Frankfurt Universe?

Einzelne Vereine sind für ihre Strategie natürlich selbst verantwortlich. Wir prüfen im Rahmen der Lizenzierung ziemlich genau - gerade natürlich auch Frankfurt Universe. Bemerkenswert an dem Fall wäre zum Beispiel, dass während der schwierigen Lage der Insolvenzverwalter die besten Chancen, aus dem Verfahren herauszukommen, darin gesehen hat, den Spielbetrieb fortzuführen! Das ist schon ein deutlicher Unterschied zur Vergangenheit. Das Lizenzierungsverfahren verfolgt ja unter anderem das Ziel, dass Teams nicht während der Saison plötzlich aussteigen. Diese Zeiten liegen zum Glück jetzt lange zurück.

Außer den Frankfurtern musste in den Kiel Baltic Hurricanes in den vergangenen Jahren ein weiterer Verein aus der German Football League Insolvenz anmelden, andere standen kurz davor. Sind die Vereine mit ihren zum Teil amateurhaften Strukturen noch nicht bereit für eine semi-professionelle Liga?

Diese Information ist so nicht zutreffend. Der Verein der Kiel Baltic Hurricanes hat keine Insolvenz angemeldet. Die Betriebsgesellschaft des Vereins hat nach der Saison ihren Geschäftsbetrieb eingestellt und der Spielbetrieb der GFL Mannschaft wurde in den Stammverein zurückgegliedert. Danach wurde die Betriebsgesellschaft abgewickelt. Das ist doch eine ganz andere Situation als eine Insolvenz im laufenden Spielbetrieb. Die letzte Insolvenz eines Vereins im Spielbetrieb liegt eher Jahrzehnte, als Jahre zurück. Insgesamt sind die Vereine der GFL finanziell durchaus robust aufgestellt.

Man müsste weiter definieren, was „amateurhaft" heißen soll. In den GFL-Vereinen sind sehr viele Menschen ehrenamtlich, also als „Amateure", tätig, liefern aber professionelle Leistung ab. Das betrifft die Spieler genauso wie die Helfer am Rand. Diese Menschen verdienen unseren Respekt und auch unsere Hilfe, wenn mal etwas nicht läuft oder sie sich übernommen haben. Grundsätzlich ist die GFL eine Sport-Liga, und Sport hat Unwägbarkeiten, die immer mal unglückliche finanzielle Auswirkungen mit sich bringen können. Nicht die Vereine übrigens haben Insolvenz angemeldet, sondern jeweils deren genutzte Betriebsgesellschaften.
Die meisten GFL-Teams planen sorgfältig und haben Mehr-Jahres-Pläne für ihre Etats. Sportlicher Erfolg ist aber nicht planbar – genauso wie übrigens das Wetter -, und wenn es da schlechter läuft, geht es auch mal an gebildete Rücklagen. Die Situation in Kiel ist aber unter anderem des finanziell gesunden Vereins ja schnell mit einer leicht veränderten Struktur wieder entspannt worden.

Die GFL ist dennoch die stärkste Liga Europas. Eine aktive deutsche Nationalmannschaft gibt es aber seit zwei Jahren nicht. Damals nahm Deutschland, obwohl als Titelverteidiger qualifiziert, nicht an der EM teil. Grund waren Querelen zwischen dem AFVD und dem Weltverband. Sind diese inzwischen ausgeräumt?

Der AFVD ist Vollmitglied der IFAF und steht im ständigen Dialog mit dem Weltverband. Es gibt keine Querelen. Es mag unterschiedliche Auffassungen zu inhaltlichen Fragen geben, das sollten demokratische Verbände aushalten.

Dass die ursprünglich in der Frankfurter Commerzbank-Arena projektierte EM stattdessen ohne öffentliches Interesse auf einem finnischen Sportplatz ausgespielt wurde, ohne uns als Titelverteidiger und an einem wichtigen GFL-Spielwochenende, war ganz sicherlich keine schöne Angelegenheit für den Football. Unsere Vereine haben die etlichen Nationalspieler anderer Länder, die in der GFL spielen, für das Turnier natürlich freigestellt. Aber grundsätzlich sollten solche Termine natürlich langfristig koordiniert werden können, die FIFA macht ja auch keine WM, während in der englischen Premier League der Titelkampf läuft.

Sportdirekter Peter Springwald kündigte für Anfang 2020 Maßnahmen des Nationalteams wie Trainingslehrgänge und Testspiele an. Wie ist da der Stand?

Nach der Absage der WM 2019 in Australien steht insgesamt der weltweite Spielbetrieb von Nationalmannschaften ein wenig unter dem Vorbehalt, ob alles auch wie geplant läuft. Wir haben die Struktur, um binnen kürzester Zeit solche Maßnahmen durchzuführen, wenn sich für die Nationalmannschaft auch tatsächliche Wettbewerbsmöglichkeiten - wie zuletzt die World Games 2017 - abzeichnen. Am liebsten sind uns natürlich echte Turnierwettbewerbe, und so lange diese Möglichkeit im Raum steht, erscheint ein einzelnes Freundschaftsspiel nicht als erstrebenswerte Alternative.

Am 26. Januar gab es ja das große Combine in Zusammenarbeit mit der CFL in Frankfurt, um die stärksten deutschen Spieler auf ihre Eignung für eine Profi-Laufbahn zu testen. Die Nationaltrainer, der medizinische und übrige Stab hat die Vorbereitungen dazu geleistet. Dies ist natürlich eine etwas anders gelagerte Maßnahme als ein Sichtungstraining für das Nationalteam, hilft aber dem einzelnen Sportler ebenfalls. Und wenn man die stärksten deutschen Spieler fragt, ob sie persönlich eine oder mehrere Saisons als Profi in Nordamerika spielen wollen statt zu einem einzelnen, isolierten Länderspiel anzureisen, bei dem es keinen Pokal zu gewinnen gibt, erhielte man auch verschiedene Antworten.

Obwohl der Niveau-Unterschied gewaltig ist, schaffen immer wieder deutsche Spieler den Sprung in die NFL. Sind das Ausnahmetalente oder wird Football in Deutschland unterschätzt?

Beides ist richtig. Diesen Sprung zu schaffen, verlangt Ausnahmetalent und absoluten individuellen Trainingsfleiß. Das muss der Spieler beitragen. Wir liefern mit der GFL oder vorher im Jugendbereich mit der GFL Juniors den Wettbewerb, in dem er sich zeigen kann. Die Trainer und die Konkurrenten auf dem Platz sind bei uns die stärksten in Europa. Die Frage, ob der deutsche Football unterschätzt wird, müsste man an US-Trainer oder -Scouts richten. Deren Sichtungsmaßnahmen sind immer noch sehr stark allein auf den amerikanischen Talent-Pool zugeschnitten. Aber dies ändert sich langsam. Jedes kleinere College, das die Chance nutzt, durch europäische Spieler besser zu werden, animiert seine Konkurrenten, ebenfalls aktiver zu werden. Und wie man hört, war auch Bill Belichick bei den New England Patriots von Jakob Johnsons Lernfähigkeit begeistert. Die deutschen Spieler haben bislang überall, wo sie in den USA spielten, beeindruckt und damit beste Werbung für Football-Deutschland betrieben.

Der AFVD feiert in zwei Jahren 40. Geburtstag. Wo würden Sie den Verband dann gerne sehen??

Wir wollen organisch und verlässlich wachsen. Wenn wir mehr Mitglieder haben als heute, mehr Zuschauer mit dem German Bowl begeistern, sowohl im Stadion als auch im Fernsehen, noch mehr Spieler in der CFL oder anderswo in Nordamerika unter Beweis stellen, wie gut die sportliche Grundausbildung hierzulande inzwischen ist, werden wir uns darüber freuen.